Das Schmücken der Häuser

Das Schmücken der Häuser

„Ehrenpforte“ in der damaligen Adolf-Hitler-Straße in Hameln (heute Deisterallee), 1935

Die Straße hieß bis 1935 Deisterstraße, von 1935 bis 1945 Adolf-Hitler-Straße, dann wieder Deisterstraße und ab 1953 Deisterallee.

Stadtarchiv Hameln, Best 602 B Nr. 00012

Auf Anordnung des Propagandaministeriums sollten die Häuser und Straßen in der Nähe des Bückebergs und entlang der Zufahrtsstraßen, die Hitlers Autokolonne nutzte, mit Girlanden aus Tannengrün, Hakenkreuz-Fahnen und Transparenten geschmückt werden.

Die Art und Weise der „Schmückung“ war bis in alle Einzelheiten hinein vorgeschrieben und wurde von lokalen Ausschüssen organisiert und überwacht.

Für die Transparente hatte das Propagandaministerium 1933 folgende Parolen ausgegeben:

„Das Bauerntum ist der Lebensquell des deutschen Volkes!“

„Ein starkes Bauerngeschlecht - durch das neue Erbhofrecht!“

„Die schwielige Bauernhand - schafft Brot für jeden Stand!“

„Spendet für das Winterhilfswerk des deutschen Volkes!“

„Stadt und Land - Hand in Hand!“

 

 

 

 

 

In Hameln wandten sich Oberbürgermeister und NS-Kreisleiter 1934 kurz vor dem Fest an die Bürger der Stadt mit den Worten:

„Zum Empfang muß ein nie dagewesener Schmuck die Häuser der Straßen der Stadt zieren. … Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß nunmehr sofort jedes Haus mit Girlanden und Kränzen, mit Hakenkreuzfahnen und Hoheitsabzeichen geschmückt wird. Bringe jeder seine Verehrung zum Führer dadurch zum Ausdruck, daß er mit dazu beiträgt, seinem Haus einen unübertrefflichen Schmuck zu geben. Wir erwarten, daß sich niemand ausschließt. Hameln muß am Sonntag einen Festschmuck aufweisen, der bislang in keiner Stadt erreicht worden ist. Wir Niedersachsen wissen, was wir unserem Führer schuldig sind.“ (Stadtarchiv Hameln)

Fahrt von Hitlers Autokolonne durch das geschmückte Hildesheim, 1934

Stadtarchiv Hildesheim, Bestand 951, Nr. 8624, Fotograf: Gustav Klare

In den Orten rings um den Bückeberg setzten die lokalen NS-Funktionäre die Einwohner massiv unter Druck, nicht nur die Häuser längs der Anfahrtsstraßen, sondern den gesamten Ort zu schmücken.

 

Als Hitler 1934 auf dem Weg zum Bückeberg durch Hildesheim fuhr, reagierte ein Hausbesitzer laut Auskunft seines Sohnes folgendermaßen:

Unser Haus sollte zu diesem Anlass geschmückt werden. Das bedeutete für Vater keine Festtagsstimmung, sondern eher Ärger. Denn er war Mitglied der Zentrumspartei … gewesen. Nun musste er sein Haus für jemand Unwillkommenes schmücken mit den Insignien der von ihm verabscheuten Macht der Nazis: Hakenkreuzfahnen sollten zwischen Girlanden wehen.

Mit Widerwillen führte Vater diese Arbeit aus. Er kam nicht drum herum, wir unterstanden alle der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. … Vater war erst wieder froh, als er diesen ganzen “Schmuck“ von der Hausfassade entfernt hatte. (Karl Pagel, Hildesheim, Erntedank)

 

 

Das Schmücken der Häuser als Instrument sozialer Kontrolle

Wer den Schmuck seines Hauses verweigerte, musste mit Strafen und sozialer Ächtung rechnen. In Hameln wurden 1933 Zeugen Jehovas bei der Polizei denunziert, die ihr Haus nicht geschmückt hatten. Zeugen Jehovas lehnen aus Glaubensgründen jede Form der Verehrung des Staates ab.

Menschen jüdischen Glaubens hatte das Regime das Zeigen nationaler Symbole verboten. Mit ihren ungeschmückten Häusern bestätigten sie damit unfreiwillig ihren vom NS-Regime verhängten Ausschluss aus der Volksgemeinschaft.

Das geschmückte Hameln, undatierte Postkarte (um 1935)

Stadtarchiv Hameln, Best. 607 Nr. 0123

Der Aufforderung zum Schmücken der Häuser mochte sich kaum einer entziehen, zu stark war der soziale Druck. Auch wer es genötigt oder unter Druck vollzog, dokumentierte damit nach außen seine Zustimmung zum Regime. Die Fotos der geschmückten Straßen und Häuser verbreitete das NS-Regime deutschland- und weltweit und verschaffte sich damit einen zusätzlichen Schein der Legitimation.

 

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