Die Rekrutierung der Teilnehmer
Eine nationale Massenversammlung für Hunderttausende an einem abseits von Großstädten liegenden Ort in der Provinz zu veranstalten, war ein aufwändiges Unterfangen.
Geschmückter Sonderzug, 1933
Ostwald (Hrsg.), Erntedankfest 1933, S. 51
Das NS-Regime musste sicherstellen, dass genügend Menschen aus der weiteren Umgebung den Bückeberg mit Verkehrsmitteln erreichen konnten. Hauptverkehrsmittel war damals die Eisenbahn. Über den regulären Zugverkehr hinaus kamen hunderte von Sonderzügen zum Einsatz. Sie waren jeweils mit ca. 1200 Fahrgästen besetzt. Fahrpreisermäßigungen von bis zu 75 Prozent lockten.
Damit „die gesamte Bevölkerung zur Teilnahme veranlasst werden“ konnte, lief der NS-Propagandaapparat im Vorfeld auf Hochtouren.
Die drei „Propagandawellen“ des Jahres 1935:
- Die erste Phase begann bereits Ende Juni. Sie stand unter dem Motto Stadt und Land – Hand in Hand und proklamierte die nationalsozialistische Volksgemeinschaft.
- Mit dem Schlagwort Unser Brot aus eigener Scholle warb die zweite Phase ab Mitte August für den Autarkiegedanken und die Erzeugungsschlacht.
- Im Zentrum der dritten Phase (ab 15. September) stand schließlich das Motto Unterm Erntekranz. Die Bauernkultur sei Grundlage der deutschen Kultur, der bäuerliche Blutstrom Träger deutschen Lebenswillens.
Zu Hause dürfen nur Lahme, Gebrechliche, Faule, Träge und staatsverneinende Elemente bleiben; alles andere hat am 1. Oktober nach Hameln zu fahren.“
Der Kreis-Propagandaleiter Hannover-Land 1933
Mobilisierung durch Plakatwerbung, undatiert
Sammlung Gelderblom
Die Propaganda erfolgte über Broschüren, Plakate und Filme. Auch Presse, Rundfunk und Sonderveranstaltungen warben für die Teilnahme an dem propagierten Großereignis.
Parallel hatten die NS-Funktionäre vor Ort für die Mobilisierung einer vorgegebenen Zahl von Teilnehmern zu sorgen. So drängten sie zum Beispiel bei Hausbesuchen Parteimitglieder und die übrigen Volksgenossen zur Teilnahme.
Die wachsende Akzeptanz des NS-Regimes in der Bevölkerung war keineswegs nur Folge von Einschüchterung und Bevormundung. Entsprechend entwickelte sich das Reichserntedankfest zu einem von Jahr zu Jahr beliebteren Massenspektakel. Die Nachfrage nach Plätzen in den Sonderzügen war mitunter größer als das Angebot.
Ab 1935 war die schwierige Organisation der Veranstaltung, die 1933 und 1934 zu erheblichen Klagen Anlass gegeben hatte, perfekt eingespielt. Neben dem Erscheinen Hitlers scheint insbesondere die immer aufwändigere Schauübung der Wehrmacht zu einem regelrechten Publikumsmagneten geworden zu sein.
„Die Erfahrung der Vorjahre hat gezeigt, dass seitens der Bevölkerung von Jahr zu Jahr dem Erntedanktag ein steigendes Interesse entgegengebracht wird. Die Anwesenheit des Führers, die Vorführungen der Wehrmacht und alle anderen Veranstaltungen bedeuten für alle Berufskreise ein tiefes Erlebnis.“ (Kreisleitung Detmold vom 7. September 1936, Landesarchiv NRW, Abt. Ostwestfalen-Lippe, Detmold, L113 Nr. 327)
„Die dem Kreis Northeim zur Verfügung gestellten Sonderzüge sind restlos ausverkauft. Insgesamt werden mit den Sonderzügen 2580 Volksgenossen aus dem Kreise Northeim zum Bückeberg befördert.“ (Northeimer Neueste Nachrichten, September 1937)
Für weitere 1.000 Angemeldete, für die zunächst keine Beförderung möglich schien, wurde später ein dritter Sonderzug zur Verfügung gestellt.